Zur Charakteristik des heil. Justinus etc.
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der Logos nichts Transeuntes, sondern ein Immanentes; er ist nichts
Selbstständiges, wie ihn die Alexandriner aus Gott hervorgegangen
dachten (a-poyoptxös), vielmehr das Denken Gottes selbst. 2) Die
Unterscheidung zwischen innerlichem und äusserlichem Logos findet
sich bei Platon nicht, welcher voüg und hat, wo die Kirche
schwankt zwischen äusserem Logos und heiligem Geist. 3) Der Ge
danke, dass der göttliche Logos nicht nur der Welterbauer, sondern
auch der Herr und Verwalter der Geisterwelt gewesen sei, an dem
die Menschengeister Theil genommen hätten, beruht nicht auf dem rei
nen Platonismus. Hier ist der vovg die Seele der Welt; zu dieser Seele
gehören die Menschenseelen, in denen sich der Zug (das Abbild)
jener Seele finden soll. Der Justin’sche Ausdruck Xöyog GTczpita.Tiy.0g
hängt mit dem Stoicismus zusammen, welcher damals im Occident
überwiegend herrschte als die eigentliche philosophia civilis, wie
ja der von dorther stammende Pantänus ein Stoiker gewesen sein soll,
obwohl zu Alexandria nie Viele ausschliesslich dieser Philosophie
angehörten. Besonders war die stoische Fatumlehre dem christlichen
Bewusstsein sehr anstössig, während hinwiederum die stoische Sitten
lehre Anerkennung fand; in der zweiten Apologie schreibt Justinus den
Stoikern bloss hinsichtlich des letzteren Punktes treffliche Leistungen
zu *)• Aber im Stoicismus bezeichnet jener Logos den aus Keimen
sich entwickelnden Weltgeist (ö iv anipp.aai Xöyo?), dagegen ist
er bei Justinus eigenthümlich die durch die Vernunftwelt hindurch
gehende (zerstreute) Gotteskraft, verwandt mit dem Göttlichen in
Christus (Gnapzlg ’köyog'). Noch darin trifft Justinus mit dem Stoicismus
zusammen, dass er in seinen echten Schriften nirgends mit Bestimmt
heit als Trichotomist erscheint; er unterscheidet neben aeüp.« nicht
zwischen 'pv/ri und nvsOu.a, d. h. zwischen dem animalischen Le-
bensprineip (dem Sitze der Begierden und Affeete) und dem Princip
der Vernunft und des Willens. Diese Nichtunterscheidung eines un
vernünftigen und vernünftigen Theiles der Seele ist ganz im Sinne
der lateinischen Kirche, welche schon durch ihre Sprache der Tren
nung eines doppelten seelischen Principes fern blieb. Sie ist hoch
bedeutend für die Gestaltung der ehristologischen Ansicht. Man hat
Justinus, gerade in neuerer Zeit, zum Vorläufer des Apollinaris ge-
l ) h. c. c. 8: Srwixol xav röv vjSixöv Xo'jov xocrgiot '^o'vao'iv — i?ta rö
sp/purov Travr!. yivei ävSpwjrwv vnipp.a rou Xoyou.