Full text: Sitzungsberichte / Akademie der Wissenschaften in Wien, Philosophisch-Historische Klasse Sitzungsberichte der Philosophisch-Historischen Classe der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften, Wien, 8. Band, (Jahrgang 1852)

Zur Charakteristik des heil. Justinus etc. 
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der Logos nichts Transeuntes, sondern ein Immanentes; er ist nichts 
Selbstständiges, wie ihn die Alexandriner aus Gott hervorgegangen 
dachten (a-poyoptxös), vielmehr das Denken Gottes selbst. 2) Die 
Unterscheidung zwischen innerlichem und äusserlichem Logos findet 
sich bei Platon nicht, welcher voüg und hat, wo die Kirche 
schwankt zwischen äusserem Logos und heiligem Geist. 3) Der Ge 
danke, dass der göttliche Logos nicht nur der Welterbauer, sondern 
auch der Herr und Verwalter der Geisterwelt gewesen sei, an dem 
die Menschengeister Theil genommen hätten, beruht nicht auf dem rei 
nen Platonismus. Hier ist der vovg die Seele der Welt; zu dieser Seele 
gehören die Menschenseelen, in denen sich der Zug (das Abbild) 
jener Seele finden soll. Der Justin’sche Ausdruck Xöyog GTczpita.Tiy.0g 
hängt mit dem Stoicismus zusammen, welcher damals im Occident 
überwiegend herrschte als die eigentliche philosophia civilis, wie 
ja der von dorther stammende Pantänus ein Stoiker gewesen sein soll, 
obwohl zu Alexandria nie Viele ausschliesslich dieser Philosophie 
angehörten. Besonders war die stoische Fatumlehre dem christlichen 
Bewusstsein sehr anstössig, während hinwiederum die stoische Sitten 
lehre Anerkennung fand; in der zweiten Apologie schreibt Justinus den 
Stoikern bloss hinsichtlich des letzteren Punktes treffliche Leistungen 
zu *)• Aber im Stoicismus bezeichnet jener Logos den aus Keimen 
sich entwickelnden Weltgeist (ö iv anipp.aai Xöyo?), dagegen ist 
er bei Justinus eigenthümlich die durch die Vernunftwelt hindurch 
gehende (zerstreute) Gotteskraft, verwandt mit dem Göttlichen in 
Christus (Gnapzlg ’köyog'). Noch darin trifft Justinus mit dem Stoicismus 
zusammen, dass er in seinen echten Schriften nirgends mit Bestimmt 
heit als Trichotomist erscheint; er unterscheidet neben aeüp.« nicht 
zwischen 'pv/ri und nvsOu.a, d. h. zwischen dem animalischen Le- 
bensprineip (dem Sitze der Begierden und Affeete) und dem Princip 
der Vernunft und des Willens. Diese Nichtunterscheidung eines un 
vernünftigen und vernünftigen Theiles der Seele ist ganz im Sinne 
der lateinischen Kirche, welche schon durch ihre Sprache der Tren 
nung eines doppelten seelischen Principes fern blieb. Sie ist hoch 
bedeutend für die Gestaltung der ehristologischen Ansicht. Man hat 
Justinus, gerade in neuerer Zeit, zum Vorläufer des Apollinaris ge- 
l ) h. c. c. 8: Srwixol xav röv vjSixöv Xo'jov xocrgiot '^o'vao'iv — i?ta rö 
sp/purov Travr!. yivei ävSpwjrwv vnipp.a rou Xoyou.
	        
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