Deutsche Studien. II.
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dann erst von seiner Herrin scheiden, wenn diese sich von
Schönheit und Anmuth scheide (MF. 19, 27 ff. und Mahn
Werke der Troubadours I. 329, 8 ff. == Rayn. III. 149 f.)?‘
Verg’l. schon Diez Poesie der Troub. S. 266. Die Strophe
Folquets lautet:
Pero si us platz qu’en autra part me vire,
Partetz de vos la beutat e’l dous rire,
E’l gai solas que m’afolleis mos sen,
Pueis partir ml cd de vos, mon escien
Tan m’abellis.
Es ist freilich ein allgemeines Element in diesem Ge
danken, das sich bei Liebesreflexion leicht einfindet, wie denn
z. B. Rousseau in dem ersten Briefe der Nouvelle Heloise
seinen Saint-Preux an Julie schreiben lässt: Oui, je promets, je
jure de faire de mon cote tous mes efforts pour recouvrer ma
raison, ou concentrer au fond de mon äme le trouble que j’y
sens naitre: mais, par pitie, detournez de moi ces yeux si doux
qui me donnent, la mort; derobez aux miens vos traits, votre
air, vos bras, vos mcdns, vos blonds cheveux, vos gestes; trompez
l’avide imprudence de mes regards; retenez cette Voix touchante
qu’on n’entend point sans emotion: soyez, helcts! une autre que
vous-meme, pour que mon coeur puisse revenir ä lui.
Dennoch möchte ich jene Frage von Dr. Pfaff mit Ja
beantworten: wenn nur die äussere Möglichkeit dazu vorhan
den ist. Folquet dichtete nach Diez 1180—1195. Da müsste
jenes Lied eines der ältesten und sehr rasch verbreitet sein.
Wenn es im Allgemeinen feststeht, dass die reflectirende Lyrik
aus Südfrankreich nach Deutschland gekommen ist, und wenn
einer der ältesten deutschen reflectirenden Lyriker einen Ge
danken vorbringt, den wir in südfranzösischer Lyrik nach-
weisen können, so ist die Wahrscheinlichkeit doch sehr gross,
dass er ihn von dort entlehnt hat. Zweifelhaft bleibt nur, ob
wirklich Folquet ihn zuerst gebrauchte.
Die Strophe des Rietenburgers hat unzweifelhaft Nach
ahmung gefunden bei Hildbold von Schwangau (C 15: MS. 1,
144*; HMS. 1, 281):