Ueber die Mafoor’sclie und einige andere Papua-Sprachen.
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Auf Neu - Guinea aber ist diese Dialektverschiedenheit
noch eine ungleich grössere und tiefergehende, weil es über
haupt noch nicht zu dem Anfänge einer Staatenbildung dort
gekommen ist Von Ort zu Ort — und Orte sind meist nur
wenige Häuser — besonders im Gebirge, ist die Sprache eine
so total andere, dass selbst die Bezeichnungen der gewöhn
lichsten und elementarsten Wörter grundverschieden sind und
dass es, wie ich glaube, oft unmöglich sein wird eine gleiche
Wurzel aufzufinden. Eine Erklärung dieses Umstandes scheint
mir relativ nicht so schwierig zu sein. Die grosse Abgeschlos
senheit der einzelnen kleinen Stämme gegeneinander, welche
sich, wenn überhaupt, nur in feindlicher Weise berühren, er-
giebt, bei dem lebendigen Flusse der Sprache, naturgemäss von
Generation zu Generation, und selbst noch in kürzeren Zeit
räumen, diese so verschiedenartige Abänderung des ursprüng
lich, wie man wohl anzunehmen berechtigt ist, Gleichartigeren,
da ja die Menge der Möglichkeiten der dabei einzuschlagenden
Wege eine sehr bedeutende ist.
Die Verschiedenheit der Species auf zoologisch-botani
schem Gebiete weis’t gewisse Analogien mit diesem Umstande
auf, und es ist seit Darwin von Sprachforschern und Anderen
bereits eingehender darauf hingewiesen worden. Vielleicht aber
ergäbe das genauere Studium dieser Dialektverschiedenheiten
in solchen Ländern wie Neu-Guinea dem Sprachforscher neue
und wichtige, bis dahin unbekannte Momente, da er hier ge-
wissermassen naturwüchsigere und ungehemmtere Processe zu
analysiren fände, als in den Abänderungen der höher organi-
sirten Zweige der arischen und semitischen Sprachstämme, und
ich unterlasse es daher nicht, auf die Aufgaben wiederholt
hinzuweisen 2 , welche sich Sprachforschern ebenso wie Na
turforschern im engeren Sinne, so wie Anthropologen und
Ethnologen bieten, und welche nur zu lösen sind, wenn sie jene
sollen so bedeutend unter sich abweichen, dass die Bewohner Eines
Thaies die Bewohner manches anderen nicht verstehen. Auch die kirch
lichen Reden werden in ganz verschiedenen Dialecten gehalten. 4
1 Ausser an einem Küsten säume im Süd westen.
2 Siehe A. B. Meyer, über die Negritos der Philippinen, Nat. Tydschr. voor
Ned.-Indie 1873.