Full text: Sitzungsberichte / Akademie der Wissenschaften in Wien, Philosophisch-Historische Klasse Sitzungsberichte der Philosophisch-Historischen Classe der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften, Wien, 75. Band, (Jahrgang 1873)

Die Kosmologie und Naturleliro des scholastischen Mittelalters. 
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eine besondere Seelenkraft der denkfähigen und denkmächtigen 
Seele fasste, machte er entschieden einen ahndungsvollen, 
glücklichen Griff, und wies auf jenen intuitiven Seelensinn hin, 
in welchem das ideale Apperceptionsvermögen und die specu- 
lative Denkfähigkeit des Menschen begründet ist. In der scho- 
lastisch-peripatetischen Theorie der Seelenvermögen fand sich 
für dieses geistige Intuitionsvermögen der Seele keine besondere 
Stelle, und insofern hätte Wilhelm über die auf sein Zeitalter 
folgende Epoche der peripatetischen Scholastik entschieden 
hinausgegriffen. Aber er war selber weit davon entfernt, die 
ganze und volle Bedeutung dieses Vermögens zu erfassen; es 
verkümmert bei ihm zu einem Vermögen leichter und schneller 
Auffassung, zu einem Vermögen glücklicher Geistesblicke. 1 
Dass die ganze Tiefe des geistigen Ahndungsvermögens der 
menschlichen Seele in demselben enthalten sei, davon hatte 
der Platoniker Wilhelm keine Ahnung. Es war dem über den 
Gegensatz von Platonismus und Aristotclismus hinausgreifenden 
philosophischen Denken der Neuzeit Vorbehalten, im idealen 
Vernunftsinne der menschlichen Seele den Quell und Erzeuger 
der philosophischen Einsicht aufzuzeigon, und das philosophische 
Denken und Erkennen in der durchgängigen Zurückbeziehung 
des menschlichen Erfahrungswissens auf die Apperceptionen des 
idealen Vernunftsinnes und durch Begründung aus denselben 
in ein speculatives Denken und Erkennen vertiefend umzubilden, 
d. h. zum Range eines durchgebildeten philosophischen Denkens 
zu erheben. 
1 Est autem ingenmm vis quaedam animis insita, suis viribus praevalens. 
Vfil in gen i um est vis animae naturalis ad aliquid cito percipiendnm. 
Subst. phys. VI, p. 307.
	        
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