Weinhold. Polargegenden Europas.
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Die Polargegenden Europas nach den Vorstellungen
des deutschen Mittelalters.
Von
Dr. Karl Weinhold,
c. Mitgliede der k. Akademie der Wissenschaften.
Indem ich mir die Aufgabe setze, die Vorstellungen
unserer heidnischen und mittleren Zeiten von dem hohen Norden
darzulegen und die ältesten Entdeckungsfahrten germanischer
Männer in den nördlichen Meeren vorzuführen, glaube ich mich
einem Gegenstände zuzuwenden, welcher für die Gegenwart ein
besonderes Interesse bietet, da sie der Erforschung der Nord
polargegenden lebhafte Theiluahme widmet. Eine Darlegung
der geographischen Kenntnisse der antiken Völker von dem
nördlichen Europa liegt meiner Arbeit ganz fern.
Die ältesten geographischen Vorstellungen der Germanen
erscheinen in der Mythologie. An den Anfang der Dinge
setzten sie ein wüstes Nichts, nach skandinavischer Bezeich
nung eine gähnende Kluft, gap ginnunga, aus der dann Licht
und Finsterniss, Wärme und Kälte sich schieden. Denn im
Norden bildete sich die kalte Nebelwelt Niflheim, im Süden
die heisse Feuerwelt Muspellheim. Mitten in Niflheim springt
ein brausender Quell, hvergehnir, hervor, aus dem die zwölf
Sturmströme, die elivägar, liervorfliessen, welche jedoch durch
die Kälte in einiger Entfernung von dem Ursprung erstarrten,
so dass sich Eis über Eis in ihnen aufthürmte. Durch die