Full text: Sitzungsberichte / Akademie der Wissenschaften in Wien, Philosophisch-Historische Klasse Sitzungsberichte der Philosophisch-Historischen Classe der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften, Wien, 68. Band, (Jahrgang 1871)

Heber Kaufs Widerlegung dos Idealismus von Berkeley. 
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denn einen Raum an sich (ausser dom Geist) kannte er so 
wenig wie Kant. 
Aber auch gegen den wörtlichen Ausdruck, den Dieser 
von ihm gebraucht, hätte sich Berkeley verwahrt: er habe die 
Dinge im Raum für blosse Einbildungen erklärt. Dies 
hat er so wenig, dass ihm die ,Dinge im Raum'', d. h. die als 
räumlich vor gestellten Dinge, obgleich blosse Vorstellungen, 
für die realen Dinge selbst gelten. Für ,Einbildungen 4 
würde Berkeley nur Dinge, die in einem Raume wären, der 
nicht blosse Vorstellung im Geist, sondern an sich existirte, 
erklärt haben; solche erklärt aber auch Kant dafür, denn 
seine ,Dinge an sich 4 sind weder im Raum noch in der Zeit. 
Der Schein der Nichtübereinstimmung zwischen Berkeley 
und Kant wird durch die vom Letzteren nicht vermiedene 
Zweideutigkeit des Wortes ,Dinge im Raum 4 hervorgerufen. 
Werden darunter, wie es, wenn der Raum nur eine im Geiste 
vorhandene Idee oder Anschauungsform bedeutet, nicht anders 
sein kann, blosse Vorstellungen verstanden, so sind, damit 
verglichen, in einem wirklichen Raume existireude wirkliche 
Dinge blosse Einbildungen. Dinge an sich, die nicht 
im wirklichen Raume existiren, brauchen darum noch nicht 
Einbildungen zu sein: sie dürfen aber auch nicht mehr 
,Dinge im Raume 4 heissen. Wenn daher Berkeley Dinge, die 
in einem wirklichen Raume sind, leugnet, so hat er Dinge, die 
nicht im wirklichen Raume sein sollen (wie Kant’s Dinge an 
sich) nicht geleugnet; und wenn Kant Dinge an sich, die nicht 
im wirklichen Raume sind, behauptet, so hat er damit Berkeley, 
der nur Dinge, die in einem wirklichen Raume sein sollen, 
bestreitet, nicht widerlegt. 
Die wirkliche Differenz zwischen dem Kant’sehen und 
Berkeley’schen Idealismus besteht daher darin, dass 1. das 
wahrnehmende Subject des letzteren das individuelle 
(empirische), jenes des ersteren ein transcendentales ist; 
2. dass Kant den bei ihm wie bei Berkeley vorhandenen 
realistischen Factor der Erfahrung unbestimmt als ,Ding 
an sich 4 , Berkeley dagegen bestimmt als göttlich cn Wil 1 en 
bezeichnet; 3. dass derselbe bei-Berkeley auf die ganze, bei 
Kant dagegen nur auf die Materie der Erfahrung sich er 
streckt. Die angebliche Differenz, dass Berkeley das Beiinden
	        
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