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Hobler.
sammt seinen Inseln, den Küstenländern des adriatischen und
ägeisclien Meeres. Hier aber war bereits an die Stelle der
Avarenmacht die bulgarische getreten und als Justinian II.
sich auf die Slaven zu stützen suchte, gingen diese zu den
Arabern über. Als dieser letzte Fürst des Heraldischen Hauses,
Justinian II., weder die Bulgaren unterwerfen konnte noch dem
nur zu gerechten Aufstande der Chersonier zu steuern ver
mochte, verlor er Thron und Lehen. Nachdem die Dynastie
101 Jahre vom Regierungsantritte des Heraklios, 71 vom Tode
des letzteren (641) unter 6 Kaisern bis in das VIII. Jahrhundert
sich erhalten, wurde erst Justinian II., welchem bei seiner ersten
Entthronung durch Leontius die Nase abgeschnitten worden
war, bei der zweiten durch Philippicus Bardanes auch der Kopf
abgeschnitten; dasselbe geschah mit Justinians Sohn Tiberius
711. Schien doch, als die furchtbaren Schläge der Araber das
Reich nicht ganz vernichten konnten, die innere Zwietracht
und die Unfähigkeit des Kaiserhauses seinen Untergang unauf
haltsam herbeizuführen. Da gerade damals auch das Westgothen
reich den Angriffen der Araber erlag, gelangte das Reich der
Chalifen auf den Höhepunkt der Macht und Ausdehnung und
konnte man sich mit dem Plane beschäftigen, von 3 Seiten,
vom Süden, Osten und Westen-die Eroberung Europa’s in An
griff zu nehmen.
Unter den schlimmsten Auspicien war das VII. Jahrhundert
für die christliche Welt angebrochen, da auch Spanien verloren
ging, das im VI. sich gleich Francien erst recht zu consolidiren
schien. Nicht nur erlosch die Dynastie des Heraklios blutig
und gewaltsam, sondern die Empörung schien regelmässig,
gleichsam Reichsinstitut zu werden, als innerhalb 6 Jahre
nach Ermordung Justinians 3 Kaiser, Philippicus Bardanes,
Artemios (Anastasius) und Theodosius von Ardamyttenum vom
Throne gestürzt wurden. Da schien der richtige Zeitpunkt
gekommen zu sein, die Stadt, welche beinahe auch das Reich
in sich schloss, dem arabischen Reiche einzuverleiben, Eu
ropa wie mit einer Zange zu erfassen, die Welt moslemisch
zu machen, Einem Gesetze, Einem Glauben, Einer Sitte, Einer
Herrschaft zu unterwerfen! — Verweilen wir noch einen Augen
blick bei der Katastrophe des römischen Reiches.