Full text: Sitzungsberichte / Akademie der Wissenschaften in Wien, Philosophisch-Historische Klasse Sitzungsberichte der Philosophisch-Historischen Classe der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften, Wien, 67. Band, (Jahrgang 1871)

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i m m e r m a n n. 
den er gewiss nicht für analytisch halten würde; apriorisch sei. 
In der merkwürdigen Stelle /(Einl. z. Krit. d. r. V. II. S. d7) 
behandelt Kant die Verknüpfung beider Eigenschaften, des 
Synthetischen und des Apriorischen, als eine so enge, als ob 
die eine ohne die andere gar nicht vorhanden sein könnte. 
In dem Satz, heisst es dort, dass alle Veränderung eine Ursache 
haben müsse, enthält der Begriff der Ursache so offenbar 
den Begriff einer Nothwendigkeit der Verknüpfung mit einer 
W irkung und einer strengen Allgemeinheit der Regel, dass 
er gänzlich verloren gehen würde, wenn man ihn, wie Hume 
that, von einer öfteren Boigesellung dessen was geschieht, mit 
dem was vorhergeht, und einer daraus entspringenden Gewohnheit 
(mithin blos subjective Nothwendigkeit) Vorstellungen zu ver 
binden, ableiten wollte. Die Widerlegung des Skepticismus ist 
in den zwei Worten enthalten: ,so offenbar'. Gerade die Noth 
wendigkeit der Verknüpfung und die strenge Allgemeinheit der 
Regel, worin der Charakter des Apriorischen des Satzes liegt, 
ist nicht jedermann ,offenbar'; -sonst hätte es nie einen Skep 
ticismus gegeben. Jedermann wirklich offenbar aber ist die 
synthetische Natur des Satzes, denn dass die Wirkung weder 
die Ursache selbst, noch ein blosser Theil derselben sein darf, 
sondern etwas von ihr Verschiedenes, wenngleich aus ihr Ent 
sprungenes, dass sie mit einem Wort mit ihr sowohl Eins, als 
Nichteins sein muss, darin eben liegt der Begriff von Ursache 
und Wirkung. Wie die Kritik bei den mathematischen Ur- 
theilen die von jedermann anerkannte apriorische mit der nur 
von Kant behaupteten synthetischen Natur derselben, so ver 
wechselt sie hier die jedermann ,offenbare' synthetische mit der 
nur von Kant (eben im Gegensatz zu Hume) behaupteten ,streng 
allgemeinen und nothwendigen' Natur der Verstandesurtheile. 
Jedermann giebt zu, dass die mathematischen Urtheilc aprio 
risch, die metaphysischen synthetisch, aber nur Kant setzt 
voraus, dass die ersteren ebenso selbstverständlich synthetisch, 
als die letzteren apriorisch seien! 
Dennoch ist der transcendentale Beweis der reinen Formen 
der Sinnlichkeit jenem der reinen Verstandesfunctionen noch 
vorzuziehen. Jener bewegt sich, wie wir gesehen haben, die 
synthetische Natur der mathematischen Urtheile einmal zuge 
standen, in durchaus unbestreitbaren Sätzen; denn die apriorische
	        
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