Full text: Sitzungsberichte / Akademie der Wissenschaften in Wien, Philosophisch-Historische Klasse Sitzungsberichte der Philosophisch-Historischen Classe der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften, Wien, 65. Band, (Jahrgang 1870)

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H ö fl e r 
thums zu betrachten i). So oft aber auch diese Annahme ausgespro 
chen und ich möchte sagen gedankenlos nachgeschrieben wurde, so 
wenig bewährt sie sich hei näherer Prüfung. Sie setzt voraus, dass 
das römische Reich von dem Besitze Italiens abhängig war, der Herr 
Italiens auch der rechtmässige Besitzer des römischen Reiches war, 
während seit Constantin I. Italien vom Stammlande römischer Herr 
schaft zum Nebenlande herabgesunken war, das römische Reich seine 
natürliche Fortsetzung iii Constantinopel gefunden hatte, und das 
selbe fortdauerte, nicht als oströmisches, sondern als römisches 
Reich, auch wenn im Westen, in Gallien und Italien, zeitweise Ent 
thronungen stattfanden oder die erst seit 395 bestende Reihenfolge 
abendländischer Kaiser zeitweilig ganz aufhörte. Seit das Haus des 
Theodosius erloschen, Italien die Beute germanischer Heerführer ge 
worden war, gab es im Abendlande factische Kaiser (Usurpatoren) 
und rechtmässige. Zu den letzteren gehörten Avitus (455), den 
Marcian, Gemahl der Pulcheria, der Enkelin des Theodosius, be 
stätigte, Majorian (ermordet 461), Anthemius, welchen K. Leo 
bestätigte (ermordet 472), und Julius Nepos, der gleichfalls vom 
kaiserlichen Hofe die Bestätigung erlangte, nicht aber Lihius Severus, 
die Creatur des Sueven Ricimer (461—465); ob Olybrius, den der 
Vandalen-König Geiserich dem Anthemius entgegenstellte, kann mit 
Recht bezweifelt werden. Gewiss nicht Glycerius, den nach des Oly 
brius Tode 472 Gundobald Ricimers Nelle erhob; gewiss nicht der 
Gothe Orestes und ebensowenig dessen Söhnlein Romulus, von dem 
es heisst, Odoacer deposuit Augustulum de regno (Excerpta de 
Odoacro). Der rechtmässige Kaiser des imperium Italicum Julius 
Nepos wurde in Dalmatien 480 ermordet, die Insignien des west 
römischen Kaiserthums wurden Kaiser Zeno zurückgeschickt, welcher 
somit das doppelte Kaiserthum wieder einigte. Auf die formelle Eini 
gung folgte unter Justinian die factjsche, als erst durch eine prag 
matische Sanction Theodorich dem Ostgothen Italien zugewiesen 
worden war, dann der Bruch der Erbfolgeordnung, die Ermordung 
der Königin Amalasuntha, Theodorichs Tochter, dem römischen und 
nicht oströmischen Kaiser Veranlassung gegeben hatte, sich in die 
*) Sie beruht eigentlich auf einer missverstandenen Stelle bei Paul Diaconus XVI. 
der nach der Abdication des Romulus sagt: ita Romanorum apud Romain imperium 
1393 a. a. 0. 475 a Christo periit.
	        
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