Full text: Sitzungsberichte / Akademie der Wissenschaften in Wien, Philosophisch-Historische Klasse Sitzungsberichte der Philosophisch-Historischen Classe der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften, Wien, 57. Band, (Jahrgang 1867)

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Brunne r 
Der Vorsprecher ist Vormund der Partei in der Rede. In sofern 
unterscheidet er sich vom Vormund im Kampfe und — eine Unter 
scheidung, die wichtiger ist, weil sie oft übersehen wird — von dem 
Vertreter im Rechtstreit. Dieser wird in den Quellen procurator, 
procureur, avoue, nach normannischer und anglo-normannischer 
Rechtsterminologie attornatus genannt. Ein Vorsprecher ist sowohl 
in Civil- wie in Strafsachen gestattet, ein Procureur in letzteren un 
zulässig. Einen Vorsprecher kann sowohl der Kläger wie der Be 
klagte, Partei wie Zeuge haben. Wer dagegen als Kläger einen Pro 
cureur aufstellen wollte, der bedurfte eines königlichen Privilegs. 
Abgesehen hievon konnten nur der König, Kirchen und Corpo- 
rationen in der Rolle des Klägers sich vertreten lassen *). Der Vor 
sprecher erforderte die Gegenwart der Partei vor Gericht. Er konnte 
durchaus nicht etwa in Abwesenheit derselben ihre Sache führen. 
Der Procureur erscheint ohne die Partei, an Stelle derselben vor 
Gericht und kann seinerseits sich im Worte durch einen Vorsprecher 
vertreten lassen. Der Avantparlier beschränkt sich auf Führung des 
Wortes. Der Procureur ficht den Rechtstreit selbstständig durch, 
dessen Vertretung ihm durch einen Formalact (bailler l'uvouerie) 
übertragen wurde. 
A. Das Amendement de la parole. 
Die wesentlich juristische Bedeutung des Instituts der Vor 
sprecher liegt darin, dass mittelst derselben die Consequenzen des 
Grundsatzes der Unwandelbarkeit des eigenen Wortes, wenn nicht 
beseitigt, so doch erheblich abgeschwächt werden konnten. War die 
Partei auch an ihr eigenes Wort gebunden, so konnte sie doch ohne 
jenes Princip zu verletzen von der Rede des Vorsprechers abgehen. 
Abrege I.ch. 12,N. a. Ein solcher bestand, nebenbei bemerkt, während des 14. Jahr- 
hunderts in Flandern. Beschreibung der feierlichen Hegung eines Mannengerichts 
nach dem flandrischen Rechte des 14. Jahrhunderts bei Warnkönig fl. R. G. 
111% U. B. 62 ff. N. 168. Der Bailli spricht bei Hegung des Gerichts unter anderem 
folgendes: ende verbiede dat niemen . . . no spreke zonder raet ende taelman% 
was Raepsaet nicht ganz genau mit 'je defends . . de parier sans conseil et 
procureur’ wiedergibt, da doch der procureur etwas anderes ist als der Vor 
sprecher (Taelman). 
1 ) Loysel Institutes coutumieres (ed. Dupin et Laboulaye) I, 367. Roth Feudalität 
und Unterthanenverband 316. Brunner Zeugen und Inquisitionsbeweis 45.
	        
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