SITZUNG VOM 8. MAI 1807.
Roswitha und Conrad Celtes.
Von dem w. M. Joseph Aschbach.
Als eine in ihrer Art einzige Erscheinung auf dem Gebiete der
mittelalterlichen Litteratur werden die Werke der sächsischen Nonne
Roswitha betrachtet. Man bewundert diese dichterischen Productio-
nen hauptsächlich desshalb, weil sie mitten in einem barbarischen
Zeitalter entstanden, keine nachweisbare Wurzel haben und ohne
fruchtbringenden und weitern Einfluss auf die nachfolgenden Jahr
hunderte verblieben. Wie eine solche isolirte Erscheinung möglich
gewesen, Hess man unaufgeklärt: ja man machte nicht einmal den
Versuch, ein derartiges Problem zu lösen, das jeden kritischen
Litterärhistoriker hätte ernstlich beschäftigen sollen. Sonderbarer
Weise würdigte man nur einen Theil der interessanten Werke der
nähern Beachtung, nicht ihre Gesammtheit. Man sah dabei auch
mehr auf das Eigenthümliche der Behandlung, als auf die für die
Zeit ungewöhnliche Form und die in den Dichtungen offenbar ver
steckte Tendenz: überhaupt aber wurde dem Gedanken auch nicht
im Entferntesten Raum gegeben, dass man es nicht mit einem echten
Werke aus dem zehnten Jahrhunderte zu thun habe. Jeder Zweifel
an der Authenticität — wenn er etwa aufstieg — ward sogleich
durch die Hinweisung auf den noch vorhandenen alten Codex, dessen
Schrift für die ottonische Zeit sprach, beseitigt und niedergeschlagen.
Übrigens fand man auch sonst eine Gewähr für die Autorschaft der
sächsischen Nonne im Namen des gekrönten Dichters Conrad Celtes
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