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Dr. Fr. Müller
SITZUNG VOM 28. JUNI 1865.
Ueber den Ursprung der Schrift der malayischen Völker
von Dr. Friedrich Müller,
Docent (1er allgemeinen Sprachwissenschaft an der Wiener Universität.
(Mit einer lithographirten Tafel.)
Vorgelegt in der Sitzung vom 28. Juni 1865.
Unter den Völkern, welche die Inseln des indischen Archipela-
gus bewohnen und bekanntlich dem grossen Volksstamme der Malaj en
angehören, finden wir mehrere Schriftsysteme im Gebrauche vor.
Darunter bedienen sicli dieMalayen, der heutzutage in Literatur, Han
del und Industrie am weitesten vorgeschrittene Stamm, meistens der
arabischen Schrift, welche mit der Einführung des Islam von densel
ben angenommen wurde. Ob sie vorher eine eigentlnimliche Schrift
besassen, ist eine Frage, welche von den meisten Autoritäten dieses
Faches verneint wird (vgl. Robinson, Proeve tot opheldering van de
gronden der maleische spelling, uit het engelsch vertaald door E. Net
scher. Batavia. 1835. S. 3 IT.), obwohl sich manche recht plausible
Gründe dafür beibringen lassen (vgl. Marsden. A grammar of the
Malayan languäge. London, 1812. pag. XXXVI). Doch können wir
diese Frage liier füglich ganz übergehen, da sie ausserhalb des näch
sten Zweckes unserer Untersuchung gelegen ist.
Die Javanen bedienen sich seit alter Zeit einer Schrift, welche
in Form und Anlage, ganz oberflächlich betrachtet, den indischen
Ursprung deutlich verräth. Sie besteht aus zwanzig, respective zwei
undzwanzig Buchstaben, welche das malayische Lautsystem •) voll-
*) Gutturale: k, g 3 n.
Palatale : t, d, n.
Dentale: t, d, n (Cerebrale t, d } n).
Labiale: b, m.
Liquiden und Halbvocale: y, r, l, tu.
Zischlaut und Hauchlaut: s } h. —