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Dr. Franz Pfeiffer
1. ÜBER MEIER HELMBRECHT.
I.
Unter den Denkmälern unserer alten Literatur, die es immer
wieder von Neuem bedauern lassen, dass unsere Dichter, statt die
Heimat, das eigene Volk, zum Gegenstand ihrer poetischen Dar
stellungen zu machen, ihre Stoffe zumeist aus der Fremde holten,
nimmt die Erzählung vom Meier Helmbrecht von Wernher dem
Gärtner eine hervorragende Stelle ein: das deutsche Mittelalter
besitzt keine zweite Dichtung, die dieser frischen, lebensvollen und
ergreifenden Schilderung aus dem Volksleben an die Seite gesetzt
werden könnte. Wie ganz anders würde unsere Literatur aussehen,
welcheThaten würde deren Geschichte zu verzeichnen haben, wenn
dieser leuchtende Vorgang, diese erste wahrhaftige deutsche Dorf
geschichte unter den Gebildeten der Nation Beifall und Nachfolge
gefunden hätte!
Eines so ausgezeichneten Gedichtes Heimat, den Grund und
Boden festzustellen, auf dem es erwachsen ist, dürfte daher wohl
einer neuen Untersuchung werth sein.
Befragt man unsere literatur-historischen Handbücher (z. B.
Gcrvinus 2\ 150. Koberstein l 4 , 227. W. Wackernagel 218),
so wäre die Sache längst im Reinen, d. h. es wäre der Helmbrecht
in Baiern gedichtet und später in Österreich umgedichtet.. Das
scheint mir jedoch keineswegs so ausgemacht zu sein, und ich ver
hehle nicht, die Ausführungen Haupt’s und Karajan's, auf denen
diese Angabe ruht, stets mit Zweifel und Misstrauen betrachtet zu
haben. Nähere Erwägungen haben mich zur Überzeugung geführt,
dass meine Bedenken vollkommen berechtigt waren und dass die
bisherige Ansicht von der Heimat des Helrnbrecht unrichtig und
unhaltbar ist.
Die einzigen Anhaltspuncte zur Ermittlung der Heimat, oder
richtiger: des Schauplatzes der Erzählung, bilden drei im Gedichte
seihst an zwei Stellen vorkommende örtliche Benennungen. Diese
drei Namen lauten aber in den beiden Handschriften durchaus ver
schieden.