Full text: Sitzungsberichte / Akademie der Wissenschaften in Wien, Philosophisch-Historische Klasse Sitzungsberichte der Philosophisch-Historischen Classe der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften, Wien, 172. Band, (Jahrgang 1913)

Studien zur Vorgeschichte einer romanischen Tempuslehre. 47 
Sollens im Nachsatz entführen will, der Typus dare habui, 
hdbueram, habuissem, und eine anscheinend literarische Wendung 
dederam. Nur Mittel- und Oberitalien bis zum Po entschied 
sich zunächst für die erste Formel; Südfrankreich mit seinen 
blühenden Rhetorenschulen 1 verallgemeinerte den literarischen 
Typus und von hier aus dürfte die Formel nach Spanien und 
Portugal gewandert sein. Aber auch Unteritalien entschied sich 
für die Formel si liabuissem, dederam, vielleicht, wie Bonnet 
S. 657 will, unter griechischem Einfluß. Nordfrankreich end 
lich und die romanischen Alpengegenden blieben bei der alten 
Formel si habuissem — dedissem. Genaueres im 8. bis 11. Ab 
schnitt. 2 
Daß in Gallien die Formel si habuissem, dederam gang und 
gäbe war, lehren uns die zahlreichen von Blase (Plusqu. 69, 
Irrealis 69) zusammengestellten Belegstellen, vgl. auch bei Gre 
gor v. T. si fas fuisset, angelum de caelo evocaveram; ego 
ipse interieram si me defendere nequivissim. 
32. Eben wurde erwähnt, daß der Indik. des Imperfekts 
der Verba des Könnens und Müssens seit der klassischen Zeit 
nicht mehr präteritale Bedeutung besaß, sondern rein präsen- 
tisch mit modalem Charakter verwendet wurde. Wie das 
indik. Plusqu. in der präteritalen Periode, so trat der Indik. 
Imperf. in der präsentischen Bedingungsperiode ein, vgl. Sen. 
henef. 4, 23, 2 ut tarnen detrahas ista, non erat ipse sol idoneum 
oculis spectaculum dignusgue adorari, si tantum praeteriret; 
Yerg. 2, 132 et si non alium late iactaret odorem, laurus erat; 
etc.; vgl. HG S. 149ff. 
Bei Amrnian, bei dem auch der Ind. Plusqu. ohne Ein 
schränkung im Nachsatz der irrealen Periode verwendet wurde, 
tritt auch das Imperf. aller Verba ein, vgl. 15, 4, 5 quod ni ita 
agi ipsa doceret aspectus, nulla vi credebatur posse discerni; 
1 Vgl. Mommsen, Röm. Geschichte II 6 , 400; Budinszky, Ausbreitung der 
lat. Sprache S. 104 etc. 
2 Ein ähnlicher Gedankengang findet sich bei Jlohl, La preposition cum 
et ses suecesseurs eu gallo-roinan, Bausteine zur rom. Phil. 01—76. Nach 
ihm wäre der Ersatz von cum durch apud von ,den großen literarischen 
Zentren ausgegangen; weil es als ungebildet galt, cum zu setzen, wo 
das Lateinische Roms apud sprach, sei umgekehrt jedes volkstümliche 
cum durch apud ersetzt worden.
	        
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