Full text: Sitzungsberichte / Akademie der Wissenschaften in Wien, Philosophisch-Historische Klasse Sitzungsberichte der Philosophisch-Historischen Classe der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften, Wien, 15. Band, (Jahrgang 1855)

Georg Z a p p e r t. Über ein Brieflein als Amulet. 
552 
Zeitgenossen Einsicht in die inneren Verhältnisse des damaligen pol 
nischen und ungrischen Hofes. Als bezeichnend für jene Zeit erscheint 
die oft wiederholte Warnung den jungen Prinzen nicht allzusehr an 
den Genuss des Weines gewöhnen zu wollen, sie würde Vorschlägen, 
ihm diesen zu wässern wenn sie nicht fürchten müsste, dadurch 
gegen die Landessitte zu verstossen. Dem Weine Wasser zusetzen, 
galt in jenen Ländern förmlich als Sünde. Erst jüngst, so erzählt 
Königinn Elisabeth, habe Jemand in Krakau gebeichtet, dass er sich 
seinen Weintrunk zu wässern pflege, worauf ihm der Priester nur unter 
der Bedingung, dass er sich früher zehn Riemenhiebe herabstreichen 
lasse, Absolution ertheilen wollte. Schliesslich wünscht sie ihrem 
Sohne Glück und des Himmels besten Segen, auf dass aus seiner Ehe 
ihm erblühen möge eine lichte Schaar von Prinzen, tapfer wie der Vater, 
und ein heller Kranz von Prinzessinnen, holdselig gleich der Mutter. 
Habe er bisher von der wissenschaftlichen Thätigkeit der Damen 
des Mittelalters, von ihrer hohen geistigen Bildung der die Männer 
welt jener Zeit den Zoll chevaleresker Verehrung auf das Über 
schwenglichste brachte, gesprochen, so wende er sich nun zu der 
Schattenseite jenes Culturzustandes. Nicht alle Frauen benützten 
ihre erworbene Lese- und Schreibfertigkeit zur Abfassung erbau 
licher oder gemeinnütziger Schriften, sondern Manche Hessen sich 
verleiten, diese ihre scientifischen Errungenschaften zur Anknüpfung 
unliebsamer Correspondenzen zu verwenden, so dass bereits in der 
Mitte des dreizehnten Jahrhunderts sich Stimmen vernehmen lassen, 
welche darauf dringen, dass man, um jenem Übelstände radical vorzu 
beugen, Personen weiblichen Geschlechtes den Unterrichtsempfang 
im Lesen und Schreiben gänzlich untersage. Der Vortragende legt 
nun ein dem fünfzehnten Jahrhundert entstammendes Pergament- 
Oblongum vor, das noch in der vierten Deeade unseres Jahrhunderts 
als Amulet gegen Anfälle der Cholera-Epidemie Verwendung fand. 
Dessen Inhalt entziffert er als den eines kryptographisch ahgefassten 
Liebes-Brieflcins einer Ungenannten an einen sichern Wolfgang.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.