Georg Z a p p e r t. Über ein Brieflein als Amulet.
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Zeitgenossen Einsicht in die inneren Verhältnisse des damaligen pol
nischen und ungrischen Hofes. Als bezeichnend für jene Zeit erscheint
die oft wiederholte Warnung den jungen Prinzen nicht allzusehr an
den Genuss des Weines gewöhnen zu wollen, sie würde Vorschlägen,
ihm diesen zu wässern wenn sie nicht fürchten müsste, dadurch
gegen die Landessitte zu verstossen. Dem Weine Wasser zusetzen,
galt in jenen Ländern förmlich als Sünde. Erst jüngst, so erzählt
Königinn Elisabeth, habe Jemand in Krakau gebeichtet, dass er sich
seinen Weintrunk zu wässern pflege, worauf ihm der Priester nur unter
der Bedingung, dass er sich früher zehn Riemenhiebe herabstreichen
lasse, Absolution ertheilen wollte. Schliesslich wünscht sie ihrem
Sohne Glück und des Himmels besten Segen, auf dass aus seiner Ehe
ihm erblühen möge eine lichte Schaar von Prinzen, tapfer wie der Vater,
und ein heller Kranz von Prinzessinnen, holdselig gleich der Mutter.
Habe er bisher von der wissenschaftlichen Thätigkeit der Damen
des Mittelalters, von ihrer hohen geistigen Bildung der die Männer
welt jener Zeit den Zoll chevaleresker Verehrung auf das Über
schwenglichste brachte, gesprochen, so wende er sich nun zu der
Schattenseite jenes Culturzustandes. Nicht alle Frauen benützten
ihre erworbene Lese- und Schreibfertigkeit zur Abfassung erbau
licher oder gemeinnütziger Schriften, sondern Manche Hessen sich
verleiten, diese ihre scientifischen Errungenschaften zur Anknüpfung
unliebsamer Correspondenzen zu verwenden, so dass bereits in der
Mitte des dreizehnten Jahrhunderts sich Stimmen vernehmen lassen,
welche darauf dringen, dass man, um jenem Übelstände radical vorzu
beugen, Personen weiblichen Geschlechtes den Unterrichtsempfang
im Lesen und Schreiben gänzlich untersage. Der Vortragende legt
nun ein dem fünfzehnten Jahrhundert entstammendes Pergament-
Oblongum vor, das noch in der vierten Deeade unseres Jahrhunderts
als Amulet gegen Anfälle der Cholera-Epidemie Verwendung fand.
Dessen Inhalt entziffert er als den eines kryptographisch ahgefassten
Liebes-Brieflcins einer Ungenannten an einen sichern Wolfgang.