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.T. V i n c e n z G o e h 1 e r t.
Im Allgemeinen gibt sich die Tendenz zur Abnahme der Geburts
zahl kund, welche zum Theil mit der in einem geringeren Masse ein
getretenen Verminderung der Trauungszahl im Zusammenhänge
steht '), grossem Theils jedoch der mit der fortschreitenden Civili-
sation in Verbindung stehenden allgemeineren Gesittung und Bildung
zuzuschreiben ist, indem einer geringeren Anzahl Kindern das Lehen
gegeben, denselben aber eine bessere Pflege und Erziehung zu Theil
wird. Aus diesem Grunde wird auch die Abnahme der ehelichen
Fruchtbarkeit in neuerer Zeit erklärlich, welche namentlich in Böh
men und Mähren hervortritt.
Mit der Abnahme der ehelichen Fruchtbarkeit und der Trauungs
zahl geht jedoch eine Zunahme der unehelichen Geborenen Hand in
Hand, welche in Kärnten (22°/ 0 ), Niederösterreich (1 6-6%) und
Steiermark (14-5%) ihren höchsten Ausdruck erreicht, was um so
bemerkenswerther erscheint, als die Procentzahl der unehelichen
Geborenen schon im vorigen Jahrhundert daseihst die höchsten
Stellen unter den übrigen Ländern eingenommen hatte. Tirol und
Krain erscheinen mit der relativ geringsten Zunahme (2-3 und 7°/ 0 ),
obgleich im erstem Lande bei einer Abnahme der Trauungszahl die
Geburtszahl sich erhöhte.
Das Sexualverhältniss der Geborenen, welches mit der ehelichen
Fruchtbarkeit in verkehrtem und mit dem relativen Alter der Eltern
in geradem Verhältnisse a ) steht, zeigt mit Ausnahme der Alpen
länder eine Zunahme, welche sich zum Theil aus der Abnahme der
ehelichen Fruchtbarkeit, zum Theil aber auch daraus erklären lässt,
dass das Alter der Heiratenden auf ein höheres Lebensjahr hinaus
gerückt sei, wofür jedoch wegen Mangel an Daten kein directer
Beweis gegeben werden kann.
Bei Betrachtung der Sterblichkeitszahl stellt sich im All
gemeinen in neuerer Zeit eine Abnahme heraus, welche sich in Nie
derösterreich (mit 7‘4°/o), Krain (mit 6'9°/ 0 ), Mähren und Schlesien
(mit 4-7°/ 0 ) am schärfsten ausprägt, in Tirol ist diese Zahl unver
ändert geblieben, in Oberösterreicb hingegen eine unbedeutende
D Die Abnahme der Trainings zahl (zwischen 0*6 und 1'5% schwankend) ergibt, sich in
allen hier betrachteten Ländern mit Ausnahme von Böhmen, wo eine unbedeutende
Zunahme (03°/ 0 ) eingetreten ist.
2 ) S. Untersuchungen über das Sexualverhältniss der Geborenen im XII. Bande der
Sitzungsberichte der philosophisch-historischen Classe.