Full text: Sitzungsberichte / Akademie der Wissenschaften in Wien, Philosophisch-Historische Klasse Sitzungsberichte der Philosophisch-Historischen Classe der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften, Wien, 153. Band, (Jahrgang 1906)

Germanische Elben und Götter beim Estenyolke. 
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und trägt sie seinem Herrn zu, geradeso wie es der später zu 
erwähnende lettische puhkis tut. Auch sonst scheint der paar 
seinen Herrn und Besitzer reich zu machen. Man bannt und ver 
treibt ihn mit Pieblbeerruten, d. h. Ebereschenzweigen. Dieser 
paar gebt offenbar ebenso wie der finnische paar auf den 
schwedischen Kobold bjära, bjara, bara zurück, der als ein 
,smätroll med tre ben‘ beschrieben wird. Ich habe seiner 
schon früher erwähnt. Dieser bjära, finnisch para, ist nach 
Kenvall ein genius rei pecuariae lac subministrans 1 — eine 
Beschreibung, die ja ganz und gar zu dem estnischen päär 
stimmt, so daß an der Identität des letzteren mit dem ersteren 
wohl nicht gezweifelt werden kann. 
Werfen wir nun noch die Frage auf, zu welcher Zeit wohl 
der näkk, der kratt und der tont aus Skandinavien zu den 
Esten herüber gekommen sein dürften, so ist zunächst klar, 
daß es sich nicht um jene uralte Periode skandinavisch-goti 
scher Beeinflussung handeln kann, von welcher die durch Thom- 
sen bekannt gewordenen sprachlichen Tatsachen ein so leben 
diges Zeugnis ablegen. Ich möchte es aber auch kaum für 
wahrscheinlich halten, daß der Glaube an die genannten Elben 
und Kobolde sich erst in der Zeit der schwedischen Herrschaft 
in jenen Landen, also im 17. Jahrhundert eingebürgert haben 
möchte. Für so modernen Ursprung scheint mir derselbe doch 
zu tief im estnischen Volke Wurzel gefaßt zu haben, zu eng 
mit seinem Denken und Empfinden verwachsen zu sein. Auch 
hatte ja in jener Zeit das estnische Volk mit schwedischem 
Volk wohl nur wenig Berührung. Es fand damals keine Ein 
wanderung schwedischen Landvolkes in die baltischen Provin 
zen statt, und nur von Volk zu Volk kann doch solche Über 
tragung vor sich gehen. Man darf daher wohl vermuten, daß 
jene Beeinflussung in die Zeit des Mittelalters zurückreicht, daß 
sie vielleicht schon vor der Ansiedelung der deutschen Ritter 
und Kaufleute, vielleicht zum Teil noch gleichzeitig mit dieser 
stattgefunden hat. Daß im Mittelalter viel Verkehr durch 
Schiffahrt u. dgl. mit Skandinavien vorhanden war, steht ja 
außer Zweifel, und ein lebendiges Zeugnis jener Beziehungen 
sind die schwedischen Bauern an der Westküste von Estland, 
1 Vgl. Grimm, Deutsche Mythologie, 4. Aufl , Nachträge, p. 315.
	        
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