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TII. Abhandlung: D. H. Müller.
bau des Hammurabi-Kodex hat sieb Meissner wenig oder gar
nicht beschäftigt, sonst würde er nicht behaupten, daß ,Ham-
murabi augenscheinlich von der Praxis ausging und Ent
scheidungen habe Zusammentragen lassen'. Das Gesetz ist
eine Umarbeitung und Erweiterung eines alten Archetypus.
Y. Die Theorie vom reinen Samen im syriscli-
römisclien Ilcehtshnch.
In seinem Buche ,Reichsrecht und Volksrecht', S. 326, bei
der Aufzählung der Konkordanzen zwischen dem Rechtsbuch
und dem griechischen Rechte widmet Mitteis dieser Theorie
einen besonderen Abschnitt und sagt: ,Das syrische Rechts
buch gibt nämlich für die Bevorzugung der Männer (im Erb
recht) einen besonderen Grund an und dieser Grund ist einem
Lieblingssatz der griechischen Philosophie entnommen'.
Die Stelle im L. § 1 des Rechtsbuches lautet:
,Denn die Gesetze suchen den reinen Samen heraus, 1
und wer der nächste ist, dem bringen sie die Erbschaft nahe;
römisch heißt es agnatus, d. h. das nahe Geschlecht. Wenn
das nahe Geschlecht erloschen ist, so wird das Geschlecht
der Weiber, welches dem Erdreiche gleicht, herbei
geholt; 2 römisch heißt es cognatus, d. h. das Geschlecht nach
dem nahen Geschlecht.'
Schon Bruns erinnert an eine Stelle des Aischylos,
Eumen. 655—661 (628—631):
ouz, eov. r, y.ey.AT,p.evou Tsy.vou
"üoy.eü?, ■zpoabq es y.u[).azoq vsssTiopsu.
ir/.-is: 8’ o 0pücy.uv, 'q 3’ axep ijsvw ?evv)
ecäSgev epvot;, oJgi p.f, ßkativ; Osog.
Es ist die Mutter dessen, den ihr Kind sie nennt,
Nicht Zeugerin, nur Pflegerin eingesäten Keims.
Es zeugt der Vater, aber sie bewahrt das Pfand,
Dem Freund die Freundin, wenn ein Gott es nicht verletzt.
(Droysen.)
1 In L. lautet der syrische Text tD V*^? V-.il VaQlaJ.
2 V*- 3 ? (1. j).