Full text: Sitzungsberichte / Akademie der Wissenschaften in Wien, Philosophisch-Historische Klasse Sitzungsberichte der Philosophisch-Historischen Classe der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften, Wien, 147. Band, (Jahrgang 1904)

Studien zur Geschichte der altdeutschen Predigt. 
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eine Stelle habe ich gefunden, durch welche mit großer Sicher 
heit meine Annahme bestätigt wird: 71 c (62, 11) sind ohne 
irgend welche äußere Ursache sowohl die Worte des lateini 
schen Textes tradentur in manus gladii (die Feinde Davids, 
vgl. Hoberg, S. 173) weggelassen als die deutsche Übertragung, 
was beides der Korrektor ergänzt (und werdent den swertern 
gegeben). Da hat nicht Zufall gewaltet, sondern Absicht, und 
zwar spricht sich hier die Gesinnung der Waldenser deutlichst 
aus, welche dem weltlichen Gerichte (nach dem Gebote Gottes: 
non occidas) das Recht der Todesstrafe nicht zugestehen. Halte 
ich diese Stelle für ein sicheres Zeugnis des waldensischen Ur 
sprunges dieser Psalmenübersetzung, so gibt es noch einige an 
dere, die möglicherweise für meine Ansicht sprechen, 6 11 (7, 12): 
Deus judex justus, fortis et patiens, numquid irascetur per 
singulos dies. Got rehter rihtere, starcher und gedultiger, weiz 
got (korr. ersetzt es durch er) zürnet er (korr. nicht) alle tage. 
Die alte Übertragung erblickt den Zorn Gottes täglich in der 
Lage der Waldenser. — 26 h (24, 21) innocentes, die unchun- 
digen (korr. unschuldigen). Das könnte ein waldensischer Aus 
druck sein: die Freunde und Genossen der Sekte hießen be 
kanntlich die künden, und der Psalmvers würde dann besagen: 
diejenigen, die noch nicht zu uns gehören, schließen sich uns 
jetzt an (Hoberg, S. 62. 64). — Vielleicht ist auch die Über 
tragung von sanguis durch fleisch 29, 10 (oben S. 133) hierher 
zu ziehen. — Aus predienden für evangelizantibus 67, 12 ist 
nichts zu schließen. — Wahrscheinlich auch nicht aus dem 
Folgenden, obsclion der Übersetzer bei seinem Irrtum sich deut 
lich von der katholischen Geistlichkeit absondert: 75 d (67, 14) 
Si dormiatis inter medios cleros penne columhe deargentate et 
posteriora dorsi ejus in pallore auri. Ob ir slafet enmitten 
under der phaflieit (vgl. Diefenbach, Gloss. 127) die ubersil- 
berten veder der touben und deu hinderen ir lackes in der 
goldes pleiche. — Weggelassen ist ohne äußeren Grund 103 a 
(87, 15) sowohl lateinisch als deutsch: Ut quid, Domine, repellis 
orationem meam, avertis faciem tuam a me? (der Korrektor 
ergänzt: Warum, herre, vertreibest du min gebet und cherest 
din antlutz von mir?). Der übersetzende Waldenser durfte die 
Meinung nicht aufkommen lassen, als oh sein im Psalter betender 
Glaubensgenosse von Gott nicht erhört würde.
	        
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