Full text: Sitzungsberichte / Akademie der Wissenschaften in Wien, Philosophisch-Historische Klasse Sitzungsberichte der Philosophisch-Historischen Classe der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften, Wien, 135. Band, (Jahrgang 1896)

Zu Aristoteles’ Poetik. II. 
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darf sagen jedem Drama inhärirenden Bestandtheile. Ich will 
auf weitere Einzelheiten nicht eingehen. Nur die Definition 
des Stasimon: ,ein Chorlied ohne Anapäste und Trochäen', also 
nach seinem Versmasse gekennzeichnet, während die unmittel 
bar vorhergehende und augenscheinlich (man beachte auch ;j.ev 
und os) contrastirend entgegengesetzte Parodos nach ihrer 
Stelle im Drama charakterisirt wird, mag den Freunden dieses 
Abschnitts noch zu weiterer Erwägung empfohlen sein. Unser 
Urtheil über denselben kann nicht anders lauten als also: das 
zwölfte Capitel macht, abgesehen von der ungehörigen Stelle, 
an der es erscheint, abgesehen auch von der Schiefheit seiner 
Begriffsbestimmungen und Gegenüberstellungen, inmitten der 
Poetik den Eindruck, den eine Polizeiverordnung inmitten eines 
rechtsphilosophischen Werkes hervorbringen würde. Ueberall 
sonst der schärfste Sinn für das Wesentliche, alle Forderungen 
aus der Sache selbst heraus begründet, mit weitherzigem Sinn, 
fern von aller Kleinlichkeit, ohne einen Gedanken daran, dass 
das zur Zeit Geltende in allen Einzelheiten unwandelbar und 
unverbesserlich sei (vgl. vor allem 49 a 7, 51 b 11 ff. und 21 ff.); 
hier im besten Falle die dürre Aufzählung des eben zur Stunde 
Ueblichen und Gütigen. 
Die Verfechter der Echtheit des Abschnittes werden viel 
leicht auf die so auffällige Ungleichmässigkeit der Behandlung 
hinweisen, die verschiedene Gegenstände im ,Staatswesen der 
Athener' erfahren haben, auf die erstaunliche Breite, mit der 
die Einzelheiten des Gerichtswesens geschildert werden, im 
Vergleich zu der Dürftigkeit, mit der andere Seiten des Ver 
fassungslebens erörtert, wenn nicht (wie die Formen der Ge 
setzgebung) ganz und gar verschwiegen werden. Allein die 
Analogie ist nur eine scheinbare. Der entscheidende Grund 
für die Athetese liegt nicht in dem Mangel an Gleichmässigkeit 
der Ausführung sondern darin, dass jenes Capitel Dinge als 
principiell wichtig behandelt, die nach der in den übrigen 
Abschnitten vorherrschenden Auffassung blos. accidenteller 
Art sind. Eine andere Stütze der Ueberlieferung könnte der 
Vergleich mit den bekannten Mittheilungen ,über die Komödie' 
(Anecd. Paris, ed. Cramer, I 403ff.) zu gewähren scheinen, in 
denen man einen Auszug aus dem verlorenen zweiten Buche 
der Poetik erkannt hat. Dort erscheinen als ,vier Theile der
	        
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