Zu Aristoteles’ Poetik. II.
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darf sagen jedem Drama inhärirenden Bestandtheile. Ich will
auf weitere Einzelheiten nicht eingehen. Nur die Definition
des Stasimon: ,ein Chorlied ohne Anapäste und Trochäen', also
nach seinem Versmasse gekennzeichnet, während die unmittel
bar vorhergehende und augenscheinlich (man beachte auch ;j.ev
und os) contrastirend entgegengesetzte Parodos nach ihrer
Stelle im Drama charakterisirt wird, mag den Freunden dieses
Abschnitts noch zu weiterer Erwägung empfohlen sein. Unser
Urtheil über denselben kann nicht anders lauten als also: das
zwölfte Capitel macht, abgesehen von der ungehörigen Stelle,
an der es erscheint, abgesehen auch von der Schiefheit seiner
Begriffsbestimmungen und Gegenüberstellungen, inmitten der
Poetik den Eindruck, den eine Polizeiverordnung inmitten eines
rechtsphilosophischen Werkes hervorbringen würde. Ueberall
sonst der schärfste Sinn für das Wesentliche, alle Forderungen
aus der Sache selbst heraus begründet, mit weitherzigem Sinn,
fern von aller Kleinlichkeit, ohne einen Gedanken daran, dass
das zur Zeit Geltende in allen Einzelheiten unwandelbar und
unverbesserlich sei (vgl. vor allem 49 a 7, 51 b 11 ff. und 21 ff.);
hier im besten Falle die dürre Aufzählung des eben zur Stunde
Ueblichen und Gütigen.
Die Verfechter der Echtheit des Abschnittes werden viel
leicht auf die so auffällige Ungleichmässigkeit der Behandlung
hinweisen, die verschiedene Gegenstände im ,Staatswesen der
Athener' erfahren haben, auf die erstaunliche Breite, mit der
die Einzelheiten des Gerichtswesens geschildert werden, im
Vergleich zu der Dürftigkeit, mit der andere Seiten des Ver
fassungslebens erörtert, wenn nicht (wie die Formen der Ge
setzgebung) ganz und gar verschwiegen werden. Allein die
Analogie ist nur eine scheinbare. Der entscheidende Grund
für die Athetese liegt nicht in dem Mangel an Gleichmässigkeit
der Ausführung sondern darin, dass jenes Capitel Dinge als
principiell wichtig behandelt, die nach der in den übrigen
Abschnitten vorherrschenden Auffassung blos. accidenteller
Art sind. Eine andere Stütze der Ueberlieferung könnte der
Vergleich mit den bekannten Mittheilungen ,über die Komödie'
(Anecd. Paris, ed. Cramer, I 403ff.) zu gewähren scheinen, in
denen man einen Auszug aus dem verlorenen zweiten Buche
der Poetik erkannt hat. Dort erscheinen als ,vier Theile der