Full text: Sitzungsberichte / Akademie der Wissenschaften in Wien, Philosophisch-Historische Klasse Sitzungsberichte der Philosophisch-Historischen Classe der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften, Wien, 120. Band, (Jahrgang 1890)

Studien zur vergleichenden Culturgeschichte. 
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Baumcultus erhalten. Jetzt bezeichnet der Araber solche Bäume 
als ,von Geistern bewohnt'. Sie nicht ehren oder gar beschä 
digen bringt Unglück. Ein wohlhabender Tuäly, der über- 
müthiger Weise einen solchen Baum in Gaww in Brand steckte, 
ging bald darauf mit der ganzen Familie elend zu Grund. So 
berichtet neuestens der treffliche Ch. Doughty. 1 Solche Bäume 
nennt man manhal (pl. manähil); meistens sind sie in der 
Wüste, theils Bäume, theils auch vereinzelte Sträucher. Kommen 
die Beduinen auf ihren Wanderungen vorbei, so pflegt ein 
Kranker ein Schaf daselbst zu opfern oder eine Gais, mit 
deren Blut er den Baum und den Boden besprengt; das 
Fleisch theilt er unter seine Freunde aus, lässt aber auch einen 
Theil zurück an den Aesten oder Zweigen hängend. Dann 
legt sich der Kranke nieder um zu schlafen, in der Erwartung, 
dass die Melä'fkah (die Engel) auf ihn im Traume herabsteigen 
und ihm die Gesundheit bringen würden. Sollte aber ein 
Gesunder es wagen daselbst zu schlafen, so würde er als ge 
brochener Mann aufwachen. Im Gaww sind zwei Manähil, 
das eine ist ein Sarhah-Strauch und das andere eine immer 
grüne Eiche (richtig wohl Terenbinthe botm oder tirwah). Die 
Geisterbäume sind behängen mit alten Fetzen und bunten 
Lappen, Glasperlen und ähnlichem Plunder. 2 Solche Bäume 
sind auch in Aegypten und Syrien ausserordentlich häufig an- 
zutreffen. Ich nenne nur den Baum ,omm alsharämyF auf der 
Insel Rödah bei Kairo. 
So finden wir wieder ein Stück uralter heidnischer Sitte 
noch in voller Lebenskraft: denn diese Verehrung heiliger 
Bäume ist altsemitisch und war schon bei den Hebräern üblich. 
Man begrub geliebte Todte am Fusse oder im Schatten der 
selben, man opferte den Göttern daselbst und hielt auch Volks 
versammlungen ab. 
Die arabischen Beduinenstämme haben uns also, wie auch 
hier wieder ganz deutlich sich zeigt, die älteste und ursprüng 
lichste Form der religiösen Gewohnheiten der semitischen Vor 
zeit fast unverändert erhalten in der Verehrung von Steinen, 
Bergen, Hainen und Bäumen, die man von Göttern oder Geistern 
1 Doughty: Travels etc. I, 449. 
J Doughty I, S. 4*18-—450. Vgl. Balädory ed. de Goeje, S. 322, Z. 20.
	        
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