Studien zur vergleichenden Culturgeschichte.
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Baumcultus erhalten. Jetzt bezeichnet der Araber solche Bäume
als ,von Geistern bewohnt'. Sie nicht ehren oder gar beschä
digen bringt Unglück. Ein wohlhabender Tuäly, der über-
müthiger Weise einen solchen Baum in Gaww in Brand steckte,
ging bald darauf mit der ganzen Familie elend zu Grund. So
berichtet neuestens der treffliche Ch. Doughty. 1 Solche Bäume
nennt man manhal (pl. manähil); meistens sind sie in der
Wüste, theils Bäume, theils auch vereinzelte Sträucher. Kommen
die Beduinen auf ihren Wanderungen vorbei, so pflegt ein
Kranker ein Schaf daselbst zu opfern oder eine Gais, mit
deren Blut er den Baum und den Boden besprengt; das
Fleisch theilt er unter seine Freunde aus, lässt aber auch einen
Theil zurück an den Aesten oder Zweigen hängend. Dann
legt sich der Kranke nieder um zu schlafen, in der Erwartung,
dass die Melä'fkah (die Engel) auf ihn im Traume herabsteigen
und ihm die Gesundheit bringen würden. Sollte aber ein
Gesunder es wagen daselbst zu schlafen, so würde er als ge
brochener Mann aufwachen. Im Gaww sind zwei Manähil,
das eine ist ein Sarhah-Strauch und das andere eine immer
grüne Eiche (richtig wohl Terenbinthe botm oder tirwah). Die
Geisterbäume sind behängen mit alten Fetzen und bunten
Lappen, Glasperlen und ähnlichem Plunder. 2 Solche Bäume
sind auch in Aegypten und Syrien ausserordentlich häufig an-
zutreffen. Ich nenne nur den Baum ,omm alsharämyF auf der
Insel Rödah bei Kairo.
So finden wir wieder ein Stück uralter heidnischer Sitte
noch in voller Lebenskraft: denn diese Verehrung heiliger
Bäume ist altsemitisch und war schon bei den Hebräern üblich.
Man begrub geliebte Todte am Fusse oder im Schatten der
selben, man opferte den Göttern daselbst und hielt auch Volks
versammlungen ab.
Die arabischen Beduinenstämme haben uns also, wie auch
hier wieder ganz deutlich sich zeigt, die älteste und ursprüng
lichste Form der religiösen Gewohnheiten der semitischen Vor
zeit fast unverändert erhalten in der Verehrung von Steinen,
Bergen, Hainen und Bäumen, die man von Göttern oder Geistern
1 Doughty: Travels etc. I, 449.
J Doughty I, S. 4*18-—450. Vgl. Balädory ed. de Goeje, S. 322, Z. 20.