Full text: Sitzungsberichte / Akademie der Wissenschaften in Wien, Philosophisch-Historische Klasse Sitzungsberichte der Philosophisch-Historischen Classe der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften, Wien, 105. Band, (Jahrgang 1844)

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Zimmer mann. 
der Philosophie wahr sei, in der Theologie falsch, und ebenso, 
was in dieser wahr, in jener falsch sein könne. Wie sich die 
letzteren einerseits von den Rationalisten, welche die Offen 
barung der Vernunft, andererseits von den Supranaturalisten, 
welche diese jener unterworfen wissen wollen, dadurch unter 
scheiden, dass sie als Philosophen Rationalisten, als Theologen 
Supranaturalisten sind, Offenbarung und Vernunft einander nicht 
sub-, sondern coordinieren, so unterscheiden sich jene einerseits 
von den reinen Skeptikern, welche alles, andererseits von den 
reinen Dogmatikern, welche nichts bezweifeln, dadurch, dass 
sie auf dem Gebiete der theoretischen Philosophie Skeptiker, 
auf dem der praktischen Dogmatiker sind, weder die praktische 
Philosophie der theoretischen, noch diese jener unter-, sondern 
beide einander beiordnen. 
Es ist kein Zufall, dass sowohl die Scholastiker, in welchen 
das obige Verhältniss zwischen Philosophie und [Offenbarung, 
wie derjenige Philosoph, bei welchem das Analoge zwischen 
theoretischer und praktischer Philosophie stattfindet, England 
angehörten. Wie der englische Verfassungs- und Gesellschafts 
charakter, so verträgt die englische Geistesbildung die schroff 
sten Gegensätze unaufgelöst neben einander. Das Beispiel von 
Newton und in neuester Zeit von Faraday zeigt, dass in eng 
lischen Naturforschern ersten Ranges kirchliche Orthodoxie und 
weittragendste Forschung einander in demselben Individuum 
nicht ausschliessen. In ähnlicher Weise haben Duns Scotus und 
Wilhelm von Occam in derselben Seele für sich unter einander 
gegenseitig widersprechende Theologie und Philosophie, David 
Hume neben dem weitreichendsten Skeptizismus auf theore 
tischem, für einen eben solchen Dogmatismus auf ethischem 
Gebiete Raum gefunden. Letzterer, dessen Entwicklungsge 
schichte einerseits auf Locke und Berkeley und andererseits 
auf die schottische Moral-Philosophie weist, ist von den er- 
steren zum Skeptiker in theoretischen, von der letzteren zum 
Dogmatiker in moralischen Problemen angeregt worden. Wie 
sich in ihm der englische Empirismus zum empirischen Idea 
lismus , dieser zum theoretischen Skepticismus uin- und 
fortbildete, hat Schreiber dieses an einem anderen Orte 
(Sitzungsberichte der phil.-hist. Classe, Jahrg. 1883) gezeigt; 
wie sich der Dogmatismus dos moralischen Gefühls der letz-
	        
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