Full text: Sitzungsberichte der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Classe der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften Sitzungsberichte der mathematisch-naturwissenschaftlichen Classe der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften, Wien, 1. Band, (Jahrgang 1848)

484 
Reissek. Über die Fasergewebe des Leines etc. 
Das correspondirende Mitglied D. S. Reissek berichtet das 
Ergebniss einer Reibe von Untersuchungen, welche derselbe über die 
Fasergewebe des Leines, des Hanfes, der Nessel und Raumwolle 
in anatomischer, chemischer und technischer Beziehung angestellt 
hatte, und wobei vorzüglich die Entwickelungsgeschichte dieser 
Gewebe, dann die Veränderungen, welche sie hei ihrer Verarbeitung 
erleiden, im Auge behalten wurden. 
Die Entwickelungsgeschichte, der Bau und die Veränderungen 
der Fasergewebe sind wesentlich verschieden, je nachdem sie ent 
weder Bastgewebe sind, wie heim Leine, dem Hanfe und der Nessel, 
oder Haargewebe wie bei der Baumwollstaude. 
Die Hauptresultate für die Bastgewebe sind folgende: 
1. Die Fasern des Leines, Hanfes und der Nessel sind Zellen, 
welche frei in Intercellulargängen zwischen Rinde und Cambium sich 
bilden, und durch Absetzung von Cellulose in Gestalt einer die Wand 
des Intercellularganges auskleidenden Membran entstehen. 
2. Die Entwickelungsgeschichte der Bastzellen ist dieselbe, wie 
jene der Milchgefässe, und letztere sind nichts als Bastzellen, welche 
in verschiedenen Theilen des Pflanzengewebes zerstreut sind, aber 
zwischen Rinde und Cambium eine besonders starke und regelmässige 
Schichte bilden. 
3. Die ausgebildete Flachs- und Hanffaser wird durch vollstän 
dige Ausfüllung der Höhlung solid und verliert das Ansehen einer 
Zelle. 
4. Die Veränderungen der Faser beim Rösten, Dörren, Brechen, 
Schwingen, Schlagen, Reiben, Hecheln, Spinnen, Zwirnen, Weben 
und Bleichen, so wie bei der Papierbereitung sind bloss mecha 
nische, die chemische Beschaffenheit bleibt unverändert. 
5. Die Wirkung der Röste besteht in einer Auflockerung und 
tlieilweisen Zerstörung der Rinde und des Cambiums, in Folge dessen 
die leichtere Ablösbarkeit der Bastschichte vom Holzkörper ermög 
licht wird. Durch das Brechen wird der Holzkörper von dem Baste 
entfernt, durch das Schwingen die Überreste der Rinde und des 
Cambiums abgelöst. Durch das Hecheln werden die Bastbündel 
gespalten und verfeinert. 
6. Bei der Papierbereitung werden die Fasern zerstückt, zer 
franst und zermalmt und in eine feinfaserige und flockige, mittelst 
Flüssigkeit sich verfilzende, und in Blätter und Platten leicht zu
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.