EINLEITUNG
I. Die Nuntiatur Gras
Schon bevor Graz durch die Teilung der habsburgischen Länder
nach dem Tode Kaiser Ferdinands I. (1564) wieder Residenz wurde,
hielten sich fallweise ausländische Gesandte in der steirischen Hauptstadt
auf; 1 so im November 1551 der venezianische Gesandte Federigo Badoer 2
4 und Anfang 1553 Girolamo Martinengo, Nuntius bei Ferdinand I. 3
In beiden Fällen hatte der Landtag, der Mittel und Wege zur Sicherung
der Grenzen gegen die Türken finden sollte, das Interesse Venedigs bzw.
Roms erweckt, die neben Österreich im besonderen Maße an der Last der
Türkenahwehr zu tragen hatten. In den Berichten Martinengos aus Graz
nehmen die kirchlichen Fragen nur einen bescheidenen Teil ein; die große
Politik — besonders gegen die Türken — und damit verbunden ungarische,
siebenbürgische und polnische Probleme bilden den Hauptinhalt.
Die Einrichtung der innerösterreichischen Regierung und eines Hofes
in Graz (1564) legten allem Anschein nach zunächst niemandem den
Gedanken nahe, auch einen eigenen Nuntius dorthin zu schicken, ln der
ersten Sitzung der Congregatio Germanica, die am 26. Juli 1568 stattfand,
wurde u. a. die Errichtung mehrerer Nuntiaturen im Reiche vorgeschla-
gen.4 Unter Pius V. (1566—1572) wurde jedoch dieser Vorschlag nicht
weiter verfolgt, während Gregor XIII. (1572 — 1585) sich von Anfang
an besonders der deutschen Angelegenheiten annahm. Eine seiner ersten
Handlungen war neben der Vergrößerung des Collegium Germanicum die
Wiederbelebung der seit Jahren inaktiven Congregatio Germanica, in die
er zehn Kardinale berief, darunter den Bischof von Augsburg, Kardinal
Otto Truchseß, der sich die Wiederherstellung der Kirche dxtreh innere
1 Eingehender über die Vorgeschichte mit entsprechenden Belegen: J. Rai¬
ner, Papst Gregor XIII. und die Gründung der Grazer Nuntiatur, S. 71 ff.
2 Turba, Venetianische Depeschen vom Kaiserhof II, S. IX. f.
3 Goetz, Nuntiaturberichte 1/16, S. 82 /., 221 — 238.
4 Schellhass, Nuntiaturberichte III/3, S. XIII f.